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Karen Packebusch
Sonnenallee 45
12045 Berlin

Kontakt:
karenpackebusch@gmail.com

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www.i-web-you.de

Copyright:
Alle Rechte an Texten, Bildern und Videos liegen bei Karen Packebusch.
Fotografien von Fernanada Mafra, Wanessa Wassermann, Pedro Coelho,
Robert Vanis, Roberto Jaffier, Matthias Blumhagen, Eduardo Peixoto und Karen Packebusch.

impressum

deu / bra

hoffst du?

hoffst du?
Mit der Arbeit „Hoffst du?“ erschließe ich mir sowohl absolut unbekannte als auch mir sehr vertraute Orte.
2013 begann die Arbeit in Gorbitz, einer Dresdner Plattenbausiedlung – in der ich aufgewachsen bin, die mir so vertraut erscheint, die mich prägte.
Ich entdeckte das „Thierbuch“ des Dresdner Kolonisators Zacharias Wagener, der 1642 nach Recife reiste und dort „Menschen und Natur“ erforschte. 2014 führte es mich in eben diese Stadt Brasiliens.

In diesen beiden Städten ist „Hoffst du?“ bisher verortet. Viele weitere Orte sollen folgen. Ausgangspunkte der Arbeit sind der Dialog und die Auseinandersetzung mit den Personen, die verschiedene Orte beleben und gestalten: Ich begegne Menschen auf der Straße, an Haltestellen, in Schulen, auf regionalen Fußballplätzen, auf Stadtfesten, in Unterkünften für Geflüchtete, in ansässigen Vereinen und unterhalte mich mit Ihnen über Ihre Wünsche und Hoffnungen. Mein Einstieg in das Gespräch ist ein simples Formular mit zwei Fragen: 1. Hoffst du?/Você tem esperança? 2. Was hoffst du?/Quais as suas esperanças? So einfach diese Fragen erscheinen mögen, so erstaunlich umfassend sind die Antworten. Die Menschen gaben lebhaft Auskunft über ihre Hoffnungen und Wünsche, darüber erlaubten sie einen intimen Einblick in ihre Lebenssituation.

Ich bin auf der Suche nach Hoffnung. Man hofft, weil im Hier und Jetzt etwas fehlt – ich solidarisiere mich mit diesen Sehnsüchten!

Die Arbeit beginnt mit dem Dialog. In Ausstellungen und Aktionen in den jeweiligen Quartieren, in Diskussionsrunden mit den Einwohnern über die Arbeit und deren individuelle Hoffnungen wird die Arbeit besprochen. Die Hoffnungsbögen werden in Buchform publiziert.

Gorbitz

In Rahmen eines umfassenden Wohnungsbauprojektes entstanden in den 1970er und 1980er Jahren im gesamten Gebiet der DDR tausende Wohnungen. Gorbitz ist eine dieser Plattenbausiedlungen am Stadtrand des Dresdner Westens. Hier zu wohnen war damals sehr gefragt, da eine Wohnung über Standards verfügte, die die maroden Altbauten nicht besaßen. So hatte jede Wohnung Innen-WC und Zentralheizung. Die Siedlung war außerdem gut in eine Infrastruktur mit Schulen, Kindergärten, Einkaufsbereichen, Gaststätten eingebunden und verfügte über ein lokales Ambulatorium.

Nicht jeder Mensch hatte damals das Glück und erhielt eine Berechtigung zum Einzug in eine Neubauwohnung. Heute eilt Gorbitz wie fast allen Quartieren dieser Art der negative Ruf der „Platte“ voraus. Das Haushaltsnettoeinkommen sehr vieler Einwohner liegt hier unter der Armutsgrenze. Stark sanierungsbedürftige Häuser nutzt die Stadt Dresden als Flüchtlingsunterkünfte. Fast alle der in den 1990er Jahren entstandenen Einkaufszentren stehen leer. In Gorbitz gibt es kein Gymnasium mehr.

Recife

Recife ist eine Großstadt in Nordostbrasilien, die im 16. Jahrhundert von den Portugiesen gegründet und zwischenzeitlich im 17. Jahrhundert von den Holländern verwaltet wurde. In dieser Kolonialzeit haben zwei Sachsen, Georg Marcgrave und Zacharias Wagener, einige Jahre in Recife Naturstudien betrieben. Marcgrave hatte die erste moderne Sternwarte in Recife errichtet. Wagener hielt in seinem „Thierbuch“ seine „wissenschaftlichen Erkenntnisse“ über Menschen, Tiere und Pflanzen im kolonialen Brasilien fest. Dieses Buch wird noch heute im Dresdner Kupferstichkabinett aufbewahrt.
Recife ist also mit Dresden bereits seit Beginn der Kolonialzeit verbunden. Heute hat der städtische Großraum Recifes ca. 3,5 Millionen Einwohner. Als aufstrebende Metropole eines Schwellenlandes verfügt die Stadt einerseits über eine der wichtigsten Universitäten Brasiliens und moderne Krankenhäuser – alle privatisiert. Andererseits offenbart die Stadt enorme Schattenseiten einer rasanten ökonomischen Entwicklung, bei der soziale und ökologische Herausforderungen weitgehend unberücksichtigt bleiben. So ist in Recife eine starke Segregation der Bevölkerung zu beobachten – die Reichen leben abgeschirmt unter sich, die Armen sollen ebenso an „ihrem“ Ort bleiben. Oder: In einem großangelegtem Küstenprojekt sollte die Meerseite der Stadt vor Naturgewalten geschützt werden.
Durch die Errichtung von Dämmen wurde die Küste zwar vor Ausspülung geschützt, aber auch kühle Meeresströme umgeleitet. Damit hat das Wasser nun eine Temperatur, in der sich Haie besonders wohl fühlen. Der Strand in Recife ist ein „Brasilianischer Traum“, Schwimmen aber ist lebensgefährlich. Niemand in Recife schwimmt im Meer.

Wolken für alle!

Meine Arbeit bewegt sich im Kontext der Geschichte von sehr unterschiedlichen Orten und den heute dort lebenden Menschen. „Alte“ und „Neue“ Welt – jene Zuschreibungen der Vergangenheit – wirken bis in die Gegenwart fort: Die Kolonialisierung als eine historische Verquickung zwischen Europa und Lateinamerika ist eine bis ins Heute greifende Erfahrung.
Meine Arbeit ist fokussiert auf die Hoffnungen der Menschen, die trotz unterschiedlichster Sozialisation eine Gemeinsamkeit aufweisen: eine Zukunft zu träumen.
Hoffnungen sind Sehnsuchtsfiguren – Wolken fügen sich in dieses Bild! In Recife antwortet mir Gilbertinho auf die Frage nach seiner Hoffnung mit einer Gegenfrage: Was ist hinter den Wolken?
Viel Raum – hinter den Wolken! Darauf heben meine Überlegungen ab. Seitdem baue ich an einer riesigen Zuckerwattenwolke für Alle!
Die nüchterne Einschätzung eines Lebensmittelchemikers der Technischen Universität Berlin zur Wolke aus Zucker lautete wie folgt:

Sehr geehrte Frau Packebusch,
die Zuckerwatte soll ja noch gegessen werden.
Es dürfte relativ aussichtslos sein, die Zuckerwatte zu stabilisieren. Die einzige Möglichkeit wäre hier vermutlich Wasserfreiheit (inkl. Luftfeuchtigkeit) in Kombination mit (relativer) Schwerelosigkeit (selbstverständlich je nach tatsächlicher Größe/Masse der Wolke). Eine sehr gut geeignete Umgebung hierfür wäre die Mondoberfläche. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Zeilen helfen zu können.
Viele Grüße.

Der Versuch, diese naturwissenschaftlichen Grenzen zu sprengen – ein Versuch, Hoffnungen zu etablieren.
Besonderer Dank geht an die zahlreichen Unterstützer*innen, die ich bis jetzt für meine Arbeit gewinnen konnte, und an die Menschen in Gorbitz und Recife, die diese Orte beleben und gestalten:

Goethe Institut/Centro Cultural Brasil Alemanha Recife, Prefeitura do Recife, Quartiersmanagment Gorbitz Dresden, Tiefbauamt Dresden, Fernanda Mafra (Recife), Wanessa Wassermann (Recife), Pedro Coehlo (Recife), Roberto Jaffier (Salvador & Recife), Eduardo Souza/Equipe da Art Monta (Recife), Christoph Ostendorf (Recife), Eduardo Peixoto (Recife), Michael Wollrath (Dresden), Robert Vanis (Dresden), Ulrich Krause (Dresden), Wolfgang Müller (Dresden), Philip Mayr (Dresden), Henrike Pfennigwerth (Dresden), Foto Görner (Dresden), Mare Floors (Dresden), Eisenbahner Wohnungsbaugenossenschaft (Dresden), Westhangpost (Dresden), Morgenpost (Dresden), Sächsische Zeitung (Dresden), Schulz & Schulz (Berlin), Dorothee & Tiny Domingos (Berlin), Dagmar Packebusch (Dresden), Wolfgang Packebusch (Dresden), Ireen Packebusch (Berlin), Sandra Detert (Berlin), Nadja Hermann (Berlin)